Nicht einfach- aber möglich: Möglichkeiten des Carsharings in Grassau aufgezeigt

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Tamara Eder

03. Februar 2023

Mobilität auf dem Land beschäftigt in Grassau nicht nur die SPD, die die öffentliche Diskussion mit Rebecca Karbaumer, eine Expertin in Sachen Carsharing anregte

und sich über viele Interessierte im kleinen Heftersaal Grassau freute. Neben Bürgermeister Stefan Kattari und Bürgermeister Stefan Schneider aus Bergen zugleich Vorsitzender des Ökomodell Achental, beteiligte sich auch der Agenda 21 Arbeitskreis „Nachhaltige Mobilität“ sowie die Initiatoren des Crasharing Projekt „mitanandmobil“ in Bergen.

Carsharing, so SPD Ortsvorsitzender Tobias Gasteiger, sei in aller Munde, zumal das ÖPNV Angebot nicht das allerbeste sei. Aber auch hinsichtlich des sich derzeit in der Aufstellung befindlichen neuen Flächennutzungsplanes müsse über Mobilität und damit verbundenen Flächenverbrauch diskutiert werden. Rebecca Karbaumer aus Bremen, dort zuständig für strategische Verkehrsplanung, Carsharing sowie Aufsichtsrätin des Schweizer Unternehmens „Mobility Genossenschaft“ und seit vielen Jahren mit Carsharing Programmen vertraut, kennt die Gemeinde von ihren Besuchen.

„Ein Geheimrezept für ein erfolgreiches Carsharing Projekt habe ich nicht. Es gehört ganz viel Herz dazu“, betonte sie eingangs. Beim Carsharing gehe es darum ein Auto zu nutzen und nicht zu besitzen. Wichtig sei der einfache und schnelle Zugang, Bereitstellung verschiedener Fahrzeugtypen und leichte Abrechnung. In Großstädten habe Carsharing eine verkehrsentlastende Wirkung. Carsharing in Grassau könne eine realistische Alternative zum Zweit- und Drittfahrzeug sein, betonte sie.
Die Vorteile seien eine bewusste Nutzung, Kostenersparnis, da Pflege und Wartung nicht von jedem einzelnen geleistet werden muss, sowie Versicherungskosten nicht dauerhaft bezahlt werden müssen. Attraktiv werde Carsharing durch eine unkomplizierte Buchung, Verfügbarkeit, einen kurzen Weg zur Carsharing Station sowie durch eine einfache Bedienbarkeit des Fahrzeugs. Im ländlichen Raum sei Carsharing kein Business Case für kommerzielle Anbieter, da es eine gewisse Dichte an Nutzern und Stationen brauche.

Damit ein Carsharing Auto eigenwirtschaftlich fährt, brauche es 45 Kunden pro Fahrzeug, geeignete Standorte, zentrale Lage, müsse zu Fuß oder mit dem Rad gut erreichbar sein, eine geeignete Organisationsstruktur und eine Kombination aus privater und gewerblicher Nutzung aufweisen. „Wenn man die Balance hingekommt, läuft es“, sagte sie. Wichtig seien Kooperationspartner und eine Ankernutzung durch die Gemeinde, Unternehmen, Sozialeinrichtungen, Verbände. Auch der Tourismus sollte nicht außer Acht gelassen werden. Auch erklärte sie, dass es verschiedene Geschäftsmodelle gebe und verwies auf den Carsharing Verein Bergen mit ehrenamtlicher Organisationsstruktur. Von Nachteil sei, dass es keine Gemeinnützigkeit im Steuerrecht gebe und viel Arbeit von Ehrenamtlichen geleistet werden müsse. Den Betrieb durch einen kommerziellen Anbieter sah sie aufgrund der Bevölkerungsdichte eher schwierig.

Christin Kirst, Initiatorin „Mitanandmobil informierte über das Bergener Modell. Zwei Fahrzeuge, ein E-Golf wie auch der Kleinbus der Gemeinde stehen zur Verfügung. Neben einer Mitgliedereinlage, eine Kaution von 600 Euro, zahle das Mitglied ein Nutzungsentgelt pro Stunde und Kilometer. Sie informierte, dass auch kommerzielle Anbieter angefragt wurden, die aber zu teuer waren. Nach einem Jahr sei man sehr zufrieden mit dem Resultat. Die Fahrzeuge werden monatlich bis zu 1500 Kilometer bewegt. Rebecca Karbaumer fügte hinzu, dass laut Berechungen unter einer jährlichen privaten Fahrleistung von 10.000 Kilometer die Nutzung eines Carsharing Fahrzeugs bedeutend günstiger sei. Georg Beyschlag betonte, dass Carsharing im ortsübergreifenden Verbund am effektivsten sei.

Reduzierter Stellplatzschlüssel durch Carsharing

Zum Thema Flächennutzungsplan informierte Rebecca Karbaumer, dass beim Wohnungsneubau der Stellplatzschlüssel reduziert werden könnte, wenn ein entsprechendes Mobilitätskonzept vorgelegt werde. Dies könnte auch in Grassau interessant werden, reduziert Stellflächen und damit auch die versiegelte Fläche.

Auch einen Fahrplan zur Realisierung nannte sie. Neben der Wahl der Organisationsstruktur sollte auch der Erwerb oder Leasing eines Fahrzeugs, Nennung der Hauptverantwortlichen, Suche nach Bündnispartnern, Standortsuche, Versicherung und Tarifmodelle und Finanzierungsmöglichkeiten bedacht werden. Ihre Empfehlung sei zunächst ein kleines Angebot, wie in Bergen mit zwei Fahrzeugen zu erwägen und dann gezielt darauf aufmerksam zu machen. Einen Leitfaden zur Gründung biete der Bundesverband Carsharing wie auch Carsharing Vaterstetten.

Bereich Körting- und Gänsbachsiedlung sinnvoll für Carsharing?

Parkprobleme gibt es im Siedlungsbereich. Als die Punkthäuser in den 70zigern gebaut wurden, wurden Stellplätze in diesem Ausmaß nicht benötigt, erklärte Tobias Gasteiger. Ob hier ein Carsharing Standort sinnvoll wäre, bejahrt die Expertin, sofern Anreize geschaffen werden, zum Beispiel über den Fahrzeugtyp. Bürgermeister Stefan Kattari sei überzeugt, dass Carsharing eine wichtige Komponente für die Zukunft sei. Die positiven Beispiele beziehen sich meist auf Städte. Von der Einwohnerzahl, so Kattari, würden die neun Gemeinden des Ökomodells dies auch erreichen, jedoch seien die Distanzen zu möglichen Carsharing Standorten dann groß. Christin Kirst erklärte, dass in Bergen die Organisation stehe und es egal sei, ob sich weitere Gemeinden anschließen. „Man könnte voneinander profitieren, die bestehende Infrastruktur nutzen und die Erfahrung muss nicht jeder neu machen“, sagte sie. Es sei kein Problem weitere Fahrzeuge in das Buchungssystem aufzunehmen. Man sei offen für eine Zusammenarbeit. Dr. Hans Grabmüller meinte, man solle über die Gemeindegrenzen hinausdenken und das Ökomodell einbeziehen. Peter von Rönne interessierte, ob Carsharing auch mit einem Bürgerfahrdienst zu verbinden sei. Die Experten nannte Beispiele aus dem Ausland, erklärte aber, dass dies hierzulande aufgrund des Beförderungsgesetzes schwierig sei. Laut Georg Beyschlag müsse auch der Tourismus einbezogen werden.

Wie ein Carsharing Fahrzeug Touristen zur Verfügung gestellt werden könnte, erklärte Bürgermeister Stefan Schneider aus Bergen. Hier sei die Touristinformation Mitglied im Carsharing Verein und könne das Fahrzeug, dass an der Tourist-Information platziert ist, an die Gäste weiterleiten. Auch fragte Grabmüller, ob ein Carsharing Fahrzeug für den Urlaub genutzt werden kann. Die, so Rebecca Karbaumer, hänge von der Flottengröße ab. In Bergen sind die Fahrzeuge maximal vier Tage am Stück buchbar. Wird ein Urlaub aber frühzeitig angezeigt, kann dies abgesprochen werden, ergänzte Christin Kirst. Bürgermeister Kattari resümierte, dass in Grassau aufgrund der Ortschaften mindestens vier Standorte angelegt werden müssten, um einen großen Teil der Bevölkerung zu erreichen.

Es müsse aber nicht nur über Carsharing, sondern auch über einen Rufbus nachgedacht werden. Dies war auch ein Anliegen von Altbürgermeister Rudi Jantke, der erklärte, dass er bereits vor zehn Jahren im Ökomodell zwei Kleinbusse, die tagtäglich im Achental unterwegs sind, anregte. Dadurch könnte das ÖPNV Angebot wesentlich erweitert werden. Letztlich verwies Helmut Bielenski auf den Arbeitskreis Nachhaltige Mobilität. Dieser Arbeitskreis habe bereits Daten erhoben, die nun ausgewertet und in einer Infoveranstaltung vorgestellt und diskutiert werden.

Ein Bericht von Tamara Eder

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